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Mein erstes Mal

Man schreibt das Jahr 1980. Die UdSSR marschiert in Afghanistan ein. Die USA boykottieren daraufhin die Olympischen Spiele in Moskau und weil die es tun, ziehen viele europäische Länder mit. Blöd für meine Cousine. Die ist Schwimmerhin und hätte es zu Olympia schaffen können. Franz Josef Strauß will Kanzler werden. In den USA wird ein Schauspieler neuer Präsident. Der Zauberwürfel wird erfunden. ARD und ZDF starten den Videotext.


Ihr seht, es gibt viele Dinge und Themen aus diesem Jahr, die mir hätten im Gedächtnis bleiben müssen. Doch mit 1980 verbinde ich etwas ganz Anderes. Mein erstes Mal. Ein Erlebnis, das mich prägen und mein Leben für immer beeinflussen sollte.


Der kleine Fabian ist 12 Jahre alt. Fast erwachsen also. Gut, noch kein Bartwuchs und deutlich zu viel Babyspeck. Der ist übrigens auch geblieben. Bis heute. Wobei, Spöttern zufolge ist er deutlich mehr geworden. Das ist hier aber Nebensache. Wampe hin oder her, ich war ein glückliches Kind. Aufgewachsen in einer Kleinstadt, behütet von Oma und Mutter, tolle Freunde, ein Bolzplatz vor der Haustür und das fast in der City.


Udo, der Mbappé der Achtziger


Es versteht sich, dass wir bei fast jedem Wetter draußen gegen den Ball getreten haben. Spielkonsolen, Computer, Internet, das musste für die breite Masse erst noch erfunden werden. Fußball dagegen war das große Thema. Mein Kumpel Udo zum Beispiel war der Mbappé unserer Straße. Viel schneller als alle anderen, zudem mit reichlich Talent gesegnet. Der Nobert, den alle nur „Nase“ nannten, war auch immer am Ball. Dazu Sigi, Robert, Sigi III und viele andere. Irgendeiner war immer auf dem Platz. Ein Ball, Stöcker als Pfosten, Anstoß. Die Älteren werden sich erinnern. Die Bundesliga, die damals noch samstags angepfiffen wurde, wollte im Schatten der Schule nachgespielt werden.


Doch selbst spielen ist eine Sache, was aber, wenn man mal ein Spiel im Stadion gucken könnte? Was heute selbstverständlich anmutet, war damals für uns Landeier die Ausnahme. Da war es schon fast eine große Sache, wenn man sonntags ins Stadion geschlichen ist, um dem heimischen Landesligisten beim Kicken zuzuschauen. Tatsächlich allerdings sollte der Traum vom Besuch eines Bundesligaspiels Wirklichkeit werden. Die Sigis, besser ihr immer humoriger und vor allem herzlicher Vater Ewald, packte uns alle ins Auto und ab ging es. Bremen. Die Großstadt in der Nachbarschaft. Werder gegen Hannover 96 und der kleine Fabi durfte dabei sein.


In die Ostkurve


Am Freitag, dem 28. November 1980, sollte ich also meine Unschuld verlieren. Weserstadion. Ostkurve. Es war der Weg in eine neue Welt. Klar, da unten auf dem Rasen wurde gekickt, doch bei diesem Zweitliga-Derby sollte ich kaum auf den Fußball gucken, sondern staunte über das, was auf den Rängen abging. Anfeuerung, Spottgesänge, Drohgebärden. Bunte Kuttenträger, lange Schals und Pöbeleien. „93 – nein, 94 – nein, 95 – nein, 96 – haut se, haut se, immer auffe Schnauze“. Werder und Hannover, man mochte sich nicht. Ich dagegen war fasziniert.


Am Ende hieß es übrigens 3:0 für Werder. Konschal, Bracht und Otten, den ich Jahre später persönlich kennenlernen sollte, erzielten die Tore vor übrigens nur 10.000 Fans. Das Weserstadion war nur zu einem Viertel gefüllt, heute undenkbar. Mir allerdings hatte es gereicht. Ich war „drauf“. Der Fußball hatte mich fest in seine Klauen und sollte mich auch nicht mehr loslassen. Ein gutes Jahrzent später sollten sich die beiden Vereine übrigens im Europapokal gegenüberstehen. Aber das nur am Rande.



Warum ich angesichts dieser Premiere kein Werderfan geworden bin, kann ich bis heute nicht sagen. Damals hatten es mir die Bayern angetan. Maier, Müller, später Breitner und Rummenigge, allesamt Nationalspieler und wenn die DFB-Auswahl am Ball war, schaute sogar meine Oma zu. Ihr Liebling war der Maier Sepp und wenn die Oma den toll findet, kommt man selbst ja nicht drum rum. Davon mal abgesehen, war die Mehrzahl bei uns im Norden für den HSV, Werder oder die seinerzeit sehr populäre Borussia aus Mönchengladbach. Bayernfan, das war fast ein Alleinstellungsmerkmal. Heute undenkbar.


Ein Wappen für Glücksgefühle


Nur wenige Wochen später sollte ich übrigens nochmal ein Spiel im Stadion sehen. Eigentlich wollte Udos Vater mit uns zum HSV gegen die Bayern, aber dafür gab es keine Tickets. Also wurde der rote Benz gesattelt und ab ging es. Im Volksparkstadion sollten die Hamburger den 1. FC Köln empfangen. Ich, an diesem 14. Februar 1981 jetzt ja längst erwachsen, hatte indes anderes im Kopf. Ein Aufnäher musste her. So etwas konnte man damals in der Kleinstadt nicht im Laden kaufen. Aber im Stadion. Das Bayern-Wappen für die Sportjacke. Sechs Mark sollte das Ding kosten und ich war vor Stolz fast einen Meter größer und um sechs Mark ärmer.


Fußball haben wir auch noch geguckt. Haupttribüne Mitte, 35 Mark. Beste Plätze. Auf dem Rasen stehen Beckenbauer, Kaltz, Magath sowie Schumacher, Littbarski, Woodcock, um nur einige zu nennen. Ich allerdings interessierte mich kaum für deren Tun, sondern schaute fasziniert Richtung Westkurve, dorthin, wo der Kern der HSV-Fans für Stimmung sorgte. Immerhin 37.600 Zuschauer bildeten eine stattliche Kulisse und der kleine Dicke war mittendrin. Am Ende siegte der HSV, weil Jimmy Hartwig und Horst Hrubesch trafen. Mein Freund Udo war im Feiermodus, ich dagegen so geflasht wie glücklich. Was der Fußball noch alles für mich bereithalten sollte, konnte ich ja nicht ahnen. Es sollte aber noch einige Jahre dauern, ehe ich erstmals die Hölle von Donnerschwee betreten habe, wo ich schließlich von meinem Verein entdeckt wurde.

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